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Mehrsprachiges Demographisches Wörterbuch (zweite Ausgabe 1987)

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(Wilhelm Winkler und Wörterbuchkommission der Union, erste Ausgabe 1966)
 
(Charlotte Höhn et al., zweite Ausgabe 1987)
 
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{{TextTerm|Eugenik|1}} ist die Lehre von der Verbesserung der Erbqualität der Bevölkerung. Sie beruht auf den Ergebnissen der Vererbungsforschung. Durch {{TextTerm|Vererbung|2}} werden „Erbmerkmale” ({{RefNumber|91|1|1}}) der Vorfahren auf die Nachkommen übertragen. Dies erfolgt durch die {{TextTerm|Gene|3}}, die die Kinder von ihren Eltern erhalten. Die Wissenschaft von der Übertragung der Gene und der von ihnen vermittelten Eigenschaften ist die {{TextTerm|Genetik|4}} ({{RefNumber|10|3|4}}).
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Gegenstand der {{TextTerm|Eugenik|1}} ist die Erforschung und Anwendung von Methoden, die geeignet sind, den Erbanlagenbestand einer Bevölkerung qualitativ zu verbessern. Im Mittelpunkt steht daher die Rolle der {{TextTerm|Vererbung|2}}, d.h. der Übertragung von {{TextTerm|vererbbaren Merkmalen|3}}, {{TextTerm|erblichen Merkmalen|3}}, {{TextTerm|Erbmerkmalen|3}} - wie z.B. der Augenfarbe - von einer {{NonRefTerm|Generation}} ({{RefNumber|11|6|3}}) zur nächsten. {{TextTerm|Erworbene Merkmale|4}} werden dagegen nicht auf diese Weise weitergegeben. Als {{TextTerm|Letalfaktor|5}} wird ein Merkmal bezeichnet, das gewöhnlich zum vorzeitigen Absterben des {{NonRefTerm|Fötus}} ({{RefNumber|60|2|7}}) führt.
{{Note|1| {{NoteTerm|Eugenik}}, S. f. {{NoteTerm|eugenisch}}, Adj. — {{NoteTerm|Eugeniker}}, S. m., Vertreter der Eugenik.}}
 
{{Note|2| {{NoteTerm|Vererbung}}, S. f. {{NoteTerm|erblich}}, Adj. — auch durch das Bestimmungswort „Erb —” in zusammengesetzten Wörtern ausgedruckt: Erbmerkmale = erbliche Merkmale. }}
 
{{Note|3| Die Gesamtheit der Gene eines Individuums, von denen es einen Teil jedem seiner Kinder weiter übertragen kann, ist seine {{NoteTerm|Erbmasse}} („Erbbild”, {{RefNumber|91|1|3}}*), im Hinblick auf die durch die Gene bedingten Erbmerkmale auch seine {{NoteTerm|Erbveranlagung (Erbkonstitution)}} genannt.}}
 
  
 
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Man unterscheidet zwischen {{TextTerm|Erbmerkmalen|1}}, das sind die durch „Vererbung” ({{RefNumber|91|0|2}}) übertragenen Merkmale, und {{TextTerm|erworbenen Merkmalen|2}}. Man unterscheidet ferner die {{TextTerm|phänotypischen Merkmale|3}}, das sind die Merkmale, die, gleichgültig ob ererbt oder erworben, äußerlich in Erscheinung treten, von den {{TextTerm|genotypischen Merkmalen|4}}, das sind die von den Genen übertragenen Merkmale. Ein {{TextTerm|dominantes Merkmal|5}} ist ein solches Erbmerkmal, das im Kind bereits in Erscheinung treten kann, wobei das zugeordnete Gen nur von einem Elternteil ererbt zu werden braucht, während wir von einem {{TextTerm|rezessiven Merkmal|6}} sprechen, wenn das zugeordnete Gen von beiden Eltern ererbt sein muß, um sich im Phänotypus zu äußern. Ein {{TextTerm|Letalfaktor|7}} ist eine Konstellation im Genotypus (letales Gen, defekter Genotypus), die den Tod der empfangenen Frucht zur Folge hat. Die Gene sind bisweilen einer unvermittelten Änderung ausgesetzt, die man {{TextTerm|Mutation|8}} nennt. {{TextTerm|Panmixie|9}}<nowiki> ist die Bildung von Verbindungen zwischen Gruppen verschiedener „genetischer Konstitution'' (</nowiki>{{RefNumber|91|1|4}}a) ohne irgendwelche Beschränkung; die Häufigkeit der verschiedenen Verbindungen entspricht dem zufälligen Zusammentreffen.
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Die {{TextTerm|Genetik|2}} ist die Wissenschaft von der Übertragung und Wirkung von Erbfaktoren. Die Übertragung von {{NonRefTerm|erblichen Merkmalen}} ({{RefNumber|91|0|3}}) erfolgt durch {{TextTerm|Gene|1}}, die Kinder von ihren Eltern erben. Die Gene sind aneinandergereiht zu {{TextTerm|Chromosomen|3}}, langen DNS-Filamenten (Desoxyribonukleinsäureketten), die sich im Zellkern befinden. Die Position eines Gens im Chromosom wird als {{TextTerm|Genort|4}} oder {{TextTerm|Locus|4}} des jeweiligen Gens bezeichnet. Die menschlichen Keimzellen oder {{TextTerm|Gameten|6}} besitzen einen einfachen (haploiden) Chromosomensatz; die durch die Verschmelzung zweier Gameten bei der {{NonRefTerm|Empfängnis}} ({{RefNumber|60|2|1}}) neu gebildete Zelle wird {{TextTerm|Zygote|7}} genannt und hat einen doppelten (diploiden) Chromosomensatz. Beim Menschen sind deshalb die Gene in Chromosomenpaaren paarweise einander zugeordnet, d.h. jedes Gen ist doppelt vorhanden. Solche homologen Gene, die den gleichen Genort einnehmen, müssen jedoch nicht identisch sein; sie beeinflussen zwar immer das gleiche Merkmal, aber häufig in unterschiedlicher Richtung. Diese verschiedenen Zustandsformen von Genen in einem Genort werden als {{TextTerm|Allele|5}} bezeichnet.
{{Note|3| Die „phänotypischen Merkmale” treten am {{NoteTerm|Erscheinungsbild (Phänotypus)}} zutage; die genotypischen begründen das {{NoteTerm|Erbbild (Genotypus, genotypische Konstitution)}}.}}
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{{Note|1| Die Gesamtheit der Gene eines Individuums bildet dessen {{NoteTerm|Erbmasse}} oder {{NoteTerm|Erbgut}}.}}
{{Note|4| Eine {{NoteTerm|angeborene Mißbildung ({{RefNumber|42|4|1}}, kongenitaler Defekt)}} ist eine solche, die eine Person von ihrer Geburt an trägt. Sie muß nicht notwendigerweise ein Erbfehler sein. Die Bezeichnungen werden aber öfter fälschlich synonym gebraucht.}}<br />Personen mit einem Geburtsgebrechen werden als {{NoteTerm|geburtsgebrechlich}} bezeichnet, nicht zu verwechseln mit {{NoteTerm|erbgebrechlich}}, zwei Bezeichnungen, die häufig synonym sein werden, die es aber nicht sein müssen.
 
{{Note|5| {{NoteTerm|dominant}}, Adj. — {{NoteTerm|Dominanz}}, S. f.}}
 
{{Note|6| {{NoteTerm|rezessiv}}, Adj. — {{NoteTerm|Rezessivität}}, S. f.}}
 
{{Note|7| {{NoteTerm|letal}}, Adj., vom lateinischen letum, der Tod ({{RefNumber|42|5|7}}), daher ohne „h” zu schreiben = tödlich. — {{NoteTerm|Letalität}}, S. f., die Tödlichkeit. — Je nach dem Zeitpunkt der Letalität spricht man von {{NoteTerm|zygotischen, embryonalen}} oder {{NoteTerm|postembryonalen Letalfaktoren}}.}}
 
{{Note|8| {{NoteTerm|Mutation}}, S. f. — {{NoteTerm|mutieren}}, V. i. — {{NoteTerm|Mutante}}, S. f., Träger eines Mutationsmerkmales.}}
 
{{Note|9| {{NoteTerm|Panmixie}}, S. f. — {{NoteTerm|panmiktisch}}, Adj. In der Soziologie auch benutzt, wenn verschiedene soziale Gruppen sich ungehindert durch Heiratsschranken vermischen.}}
 
  
 
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{{TextTerm|Positive Eugenik|1}} strebt die Verbesserung der Beschaffenheit einer Bevölkerung an durch Begünstigung der Vermehrung der Personen mit den besten Erbqualitäten, {{TextTerm|negative Eugenik|2}} durch die Verhinderung der Vermehrung von Personen mit schlechten Erbqualitäten. Ein {{TextTerm|Erbfehler|3}} ({{TextTerm|Erbdefekt|3}}) ist ein als unerwünscht betrachtetes „Erbmerkmal”. Manche Gesetzgebungen sehen die {{TextTerm|eugenische Unfruchtbarmachung|4}} ({{TextTerm|eugenische Sterilisation|4}}) — zwangsweise oder freiwillig — vor, um die Übertragung von Erbgebrechen auf die Nachkommenschaft zu vermeiden. Unter den von eugenischen Erwägungen getragenen Vorschlägen ist das {{TextTerm|Ehetauglichkeitszeugnis|5}} zu erwähnen, das die Brautleute vor ansteckenden Krankheiten und vor möglichen Erbbelastungen bewahren soll, um {{TextTerm|dysgenische Verbindungen|6}} zu verhindern, das sind Verbindungen, aus denen „Erbgebrechliche” ({{RefNumber|91|1|4}}e) hervorgehen könnten.
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Die Gesamtheit von zwei {{NonRefTerm|Genen}} ({{RefNumber|91|1|1}}) im gleichen {{NonRefTerm|Genort}} ({{RefNumber|91|1|4}}) wird {{TextTerm|Genotyp|1}}, {{TextTerm|Erbbild|1}}, genannt. Der Genotyp wird als {{TextTerm|homozygot|2}}, {{TextTerm|gleichanlagig|2}}, {{TextTerm|reinerbig|2}}, bezeichnet, wenn sich an einem gegebenen Genort in den beiden Chromosomen eines Chromosomenpaares Gene mit derselben Erbinformation befinden; befinden sich dort Gene mit verschiedenen Anlagen, so spricht man von einem {{TextTerm|heterozygoten|3}}, {{TextTerm|ungleichanlagigen|3}}, {{TextTerm|mischerbigen|3}}, Genotyp. Der {{TextTerm|Phänotyp|4}}, {{TextTerm|Erscheinungsbild|4}}, ist die äußerlich erkennbare Ausprägung eines Merkmals, bedingt durch das Zusammenspiel von Genotyp und Umwelt. Falls ein heterozygotes Individuum (AA) äußerlich nicht von einem homozygoten (AA) unterschieden werden kann, so wird das {{NonRefTerm|Allel}} ({{RefNumber|91|1|5}}) A als {{TextTerm|dominant|5}} über Allel A' und Allel A' als {{TextTerm|rezessiv|6}} bezeichnet. {{TextTerm|Mutationen|7}} sind sprunghafte und augenscheinlich zufällige Veränderungen von Genen. {{TextTerm|Panmixie|8}}, d.h. das uneingeschränkte Eingehen von Verbindungen unabhängig von jeglicher Gruppenzugehörigkeit, führt zu einer gleichmäßigen Streuung der Gene innerhalb von Bevölkerungen.
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{{TextTerm|Positive Eugenik|1}} (vgl. {{RefNumber|91|0|1}}) und {{TextTerm|negative Eugenik|2}} streben das gleiche Ziel einer Verbesserung der Erbanlagen der Bevölkerung an, unterscheiden sich jedoch in den Mitteln. Positive Eugenik versucht, die {{NonRefTerm|Fortpflanzung}} ({{RefNumber|60|1|2}}) von Personen zu begünstigen, von denen angenommen wird, daß sie als wünschenswert erachtete Merkmale auf ihre Nachkommen übertragen. Negative Eugenik greift dagegen auf Maßnahmen zurück, um die Fortpflanzung von Personen, die als nicht wünschenswert betrachtete Merkmale oder {{TextTerm|Erbkrankheiten|3}}, {{TextTerm|Erbleiden|3}}, {{TextTerm|Erbfehler|3}} weitergeben könnten, einzuschränken oder zu verhindern. Manche Gesetzgebungen sehen die zwangsweise oder freiwillige {{TextTerm|eugenische Sterilisation|4}} der von gewissen dieser Krankheiten betroffenen Personen vor. Diese Maßnahme ist jedoch aus ethisch-moralischen Gründen umstritten. Zu den alternativen Maßnahmen zählt die {{TextTerm|genetische Beratung und Untersuchung|5}}; diese dient dazu, Paare, die sich Kinder wünschen, über potentielle, aufgrund ihrer Erbanlagen bestehende Risiken aufzuklären und auf evtl. {{TextTerm|dysgenische Verbindungen|6}}, aus denen Kinder mit Erbleiden hervorgehen könnten, hinzuweisen.
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{{Note|5| In manchen Ländern ist auch ein {{NonRefTerm|legaler Schwangerschaftabbruch}} ({{RefNumber|60|4|4}}) aufgrund eugenischer Indikation möglich.}}
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Die Wahrscheinlichkeit für eine Person im {{NonRefTerm|fortpflanzungsfähigen Alter}}1{{RefNumber|62|0|1}}), eine bestimmte Anzahl von Kindern zu haben, die ihrerseits ebenfalls das fortpflanzungsfähige Alter erreichen, kann von derem {{NonRefTerm|Genotyp}} ({{RefNumber|91|2|1}}) abhängen. Diese differentielle {{NonRefTerm|Reproduktion}} ({{RefNumber|60|1|2}}) wird als {{TextTerm|Selektion|1}} {{TextTerm|natürliche Auslese|1}}, bezeichnet. Unter dem {{TextTerm|Selektionswert|2}} eines Genotyps versteht man die relative Zahl der das fortpflanzungsfähige Alter erreichenden Kinder von Personen mit diesem Genotyp. Der {{TextTerm|durchschnittliche Selektionswert|3}} einer Bevölkerung entspricht dem Durchschnitt der Selektionswerte für die Genotypen ihrer Mitglieder. Unter {{TextTerm|genetischer Belastung|4}} der Bevölkerung wird eine relative Abnahme des durchschnittlichen Selektionswertes verstanden, die darauf zurückzuführen ist, daß es verschiedene Genotypen mit unterschiedlichen Selektionswerten gibt. {{NonRefTerm|Zufallsschwankungen}} ({{RefNumber|15|0|7}}) in der Auftretenshäufigkeit eines bestimmten Gens in verschiedenen Generationen werden als {{TextTerm|Gendrift|5}} bezeichnet. Die {{TextTerm|Genstruktur|6}} einer Bevölkerung ergibt sich aus der Verteilung der Häufigkeit der verschiedenen {{NonRefTerm|Allele}} ({{RefNumber|91|1|5}}) an einem gegebenen {{NonRefTerm|Genort}} ({{RefNumber|91|1|4}}) unter den Mitgliedern dieser Bevölkerung. Die {{TextTerm|genotypische Struktur|7}} einer Bevölkerung ist durch die Verteilung verschiedener Genotypen am gleichen Genort gekennzeichnet.
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Bei einer Person, deren Eltern einen oder mehrere gemeinsame Vorfahren haben, werden zwei Gene mit gleichem {{NonRefTerm|Genort}} ({{RefNumber|91|1|4}}) als durch Abstammung {{TextTerm|identische Gene|1}} bezeichnet, falls der gleiche Vorfahre Träger dieser beiden Gene war. Die Wahrscheinlichkeit, daß eine zufällig ausgewählte Person in einer Bevölkerung zwei durch Abstammung identische Gene aufweist, wird {{TextTerm|Konsanguinitätskoeffizient|2}} der Bevölkerung genannt. Der {{TextTerm|Verwandtschaftskoeffizient|3}} einer Bevölkerung bezeichnet die Wahrscheinlichkeit, daß zwei zufällig ausgewählte Personen in dieser Bevölkerung durch Abstammung identische Gene am gleichen Genort tragen.
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Kapitel | Allgemeines index 1 | Begriffe und Methoden der Bevölkerungsstatistik index 2 | Bevölkerungsstand index 3 | Sterblichkeit und Krankheit index 4 | Eheschliessung und Ehelösung index 5 | Geburtenhäufigkeit, Fruchtbarkeit index 6 | Bevölkerungswachstum und Reproduktion index 7 | Räumliche Mobilität index 8 | Wirtschafts- und Sozialdemographie index 9
Section | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 | 16 | 20 | 21 | 22 | 23 | 30 | 31 | 32 | 33 | 34 | 35 | 40 | 41 | 42 | 43 | 50 | 51 | 52 | 60 | 61 | 62 | 63 | 70 | 71 | 72 | 73 | 80 | 81 | 90 | 91 | 92 | 93

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Gegenstand der Eugenik1 ist die Erforschung und Anwendung von Methoden, die geeignet sind, den Erbanlagenbestand einer Bevölkerung qualitativ zu verbessern. Im Mittelpunkt steht daher die Rolle der Vererbung2, d.h. der Übertragung von vererbbaren Merkmalen3, erblichen Merkmalen3, Erbmerkmalen3 - wie z.B. der Augenfarbe - von einer Generation (116-3) zur nächsten. Erworbene Merkmale4 werden dagegen nicht auf diese Weise weitergegeben. Als Letalfaktor5 wird ein Merkmal bezeichnet, das gewöhnlich zum vorzeitigen Absterben des Fötus (602-7) führt.

911

Die Genetik2 ist die Wissenschaft von der Übertragung und Wirkung von Erbfaktoren. Die Übertragung von erblichen Merkmalen (910-3) erfolgt durch Gene1, die Kinder von ihren Eltern erben. Die Gene sind aneinandergereiht zu Chromosomen3, langen DNS-Filamenten (Desoxyribonukleinsäureketten), die sich im Zellkern befinden. Die Position eines Gens im Chromosom wird als Genort4 oder Locus4 des jeweiligen Gens bezeichnet. Die menschlichen Keimzellen oder Gameten6 besitzen einen einfachen (haploiden) Chromosomensatz; die durch die Verschmelzung zweier Gameten bei der Empfängnis (602-1) neu gebildete Zelle wird Zygote7 genannt und hat einen doppelten (diploiden) Chromosomensatz. Beim Menschen sind deshalb die Gene in Chromosomenpaaren paarweise einander zugeordnet, d.h. jedes Gen ist doppelt vorhanden. Solche homologen Gene, die den gleichen Genort einnehmen, müssen jedoch nicht identisch sein; sie beeinflussen zwar immer das gleiche Merkmal, aber häufig in unterschiedlicher Richtung. Diese verschiedenen Zustandsformen von Genen in einem Genort werden als Allele5 bezeichnet.

  • 1. Die Gesamtheit der Gene eines Individuums bildet dessen Erbmasse oder Erbgut.

912

Die Gesamtheit von zwei Genen (911-1) im gleichen Genort (911-4) wird Genotyp1, Erbbild1, genannt. Der Genotyp wird als homozygot2, gleichanlagig2, reinerbig2, bezeichnet, wenn sich an einem gegebenen Genort in den beiden Chromosomen eines Chromosomenpaares Gene mit derselben Erbinformation befinden; befinden sich dort Gene mit verschiedenen Anlagen, so spricht man von einem heterozygoten3, ungleichanlagigen3, mischerbigen3, Genotyp. Der Phänotyp4, Erscheinungsbild4, ist die äußerlich erkennbare Ausprägung eines Merkmals, bedingt durch das Zusammenspiel von Genotyp und Umwelt. Falls ein heterozygotes Individuum (AA) äußerlich nicht von einem homozygoten (AA) unterschieden werden kann, so wird das Allel (911-5) A als dominant5 über Allel A' und Allel A' als rezessiv6 bezeichnet. Mutationen7 sind sprunghafte und augenscheinlich zufällige Veränderungen von Genen. Panmixie8, d.h. das uneingeschränkte Eingehen von Verbindungen unabhängig von jeglicher Gruppenzugehörigkeit, führt zu einer gleichmäßigen Streuung der Gene innerhalb von Bevölkerungen.

913

Positive Eugenik1 (vgl. 910-1) und negative Eugenik2 streben das gleiche Ziel einer Verbesserung der Erbanlagen der Bevölkerung an, unterscheiden sich jedoch in den Mitteln. Positive Eugenik versucht, die Fortpflanzung (601-2) von Personen zu begünstigen, von denen angenommen wird, daß sie als wünschenswert erachtete Merkmale auf ihre Nachkommen übertragen. Negative Eugenik greift dagegen auf Maßnahmen zurück, um die Fortpflanzung von Personen, die als nicht wünschenswert betrachtete Merkmale oder Erbkrankheiten3, Erbleiden3, Erbfehler3 weitergeben könnten, einzuschränken oder zu verhindern. Manche Gesetzgebungen sehen die zwangsweise oder freiwillige eugenische Sterilisation4 der von gewissen dieser Krankheiten betroffenen Personen vor. Diese Maßnahme ist jedoch aus ethisch-moralischen Gründen umstritten. Zu den alternativen Maßnahmen zählt die genetische Beratung und Untersuchung5; diese dient dazu, Paare, die sich Kinder wünschen, über potentielle, aufgrund ihrer Erbanlagen bestehende Risiken aufzuklären und auf evtl. dysgenische Verbindungen6, aus denen Kinder mit Erbleiden hervorgehen könnten, hinzuweisen.

  • 5. In manchen Ländern ist auch ein legaler Schwangerschaftabbruch (604-4) aufgrund eugenischer Indikation möglich.

914

Die Wahrscheinlichkeit für eine Person im fortpflanzungsfähigen Alter1620-1), eine bestimmte Anzahl von Kindern zu haben, die ihrerseits ebenfalls das fortpflanzungsfähige Alter erreichen, kann von derem Genotyp (912-1) abhängen. Diese differentielle Reproduktion (601-2) wird als Selektion1 natürliche Auslese1, bezeichnet. Unter dem Selektionswert2 eines Genotyps versteht man die relative Zahl der das fortpflanzungsfähige Alter erreichenden Kinder von Personen mit diesem Genotyp. Der durchschnittliche Selektionswert3 einer Bevölkerung entspricht dem Durchschnitt der Selektionswerte für die Genotypen ihrer Mitglieder. Unter genetischer Belastung4 der Bevölkerung wird eine relative Abnahme des durchschnittlichen Selektionswertes verstanden, die darauf zurückzuführen ist, daß es verschiedene Genotypen mit unterschiedlichen Selektionswerten gibt. Zufallsschwankungen (150-7) in der Auftretenshäufigkeit eines bestimmten Gens in verschiedenen Generationen werden als Gendrift5 bezeichnet. Die Genstruktur6 einer Bevölkerung ergibt sich aus der Verteilung der Häufigkeit der verschiedenen Allele (911-5) an einem gegebenen Genort (911-4) unter den Mitgliedern dieser Bevölkerung. Die genotypische Struktur7 einer Bevölkerung ist durch die Verteilung verschiedener Genotypen am gleichen Genort gekennzeichnet.

915

Bei einer Person, deren Eltern einen oder mehrere gemeinsame Vorfahren haben, werden zwei Gene mit gleichem Genort (911-4) als durch Abstammung identische Gene1 bezeichnet, falls der gleiche Vorfahre Träger dieser beiden Gene war. Die Wahrscheinlichkeit, daß eine zufällig ausgewählte Person in einer Bevölkerung zwei durch Abstammung identische Gene aufweist, wird Konsanguinitätskoeffizient2 der Bevölkerung genannt. Der Verwandtschaftskoeffizient3 einer Bevölkerung bezeichnet die Wahrscheinlichkeit, daß zwei zufällig ausgewählte Personen in dieser Bevölkerung durch Abstammung identische Gene am gleichen Genort tragen.

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Kapitel | Allgemeines index 1 | Begriffe und Methoden der Bevölkerungsstatistik index 2 | Bevölkerungsstand index 3 | Sterblichkeit und Krankheit index 4 | Eheschliessung und Ehelösung index 5 | Geburtenhäufigkeit, Fruchtbarkeit index 6 | Bevölkerungswachstum und Reproduktion index 7 | Räumliche Mobilität index 8 | Wirtschafts- und Sozialdemographie index 9
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