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Mehrsprachiges Demographisches Wörterbuch (zweite Ausgabe 1987)

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(Wilhelm Winkler und Wörterbuchkommission der Union, erste Ausgabe 1966)
 
(Charlotte Höhn et al., zweite Ausgabe 1987)
 
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{{TextTerm|Wanderungsstatistiken|1}} werden zusammengestellt, um Angaben über das Wanderungsvolumen, die Richtung der Wanderungen sowie die Merkmale der Wandernden zu erhalten. Die Genauigkeit jeder dieser Angaben hängt stark von der Erhebungsmethode und der Qualität des Erhebungsapparates ab; viele Wanderungsstatistiken sind heute eher Schätzungen und Annäherungen als genaue Zählungen. Die {{TextTerm|direkte Ermittlung der Wanderungen|2}} erfordert ein System, das die Wanderung im Zeitpunkt ihres Ereignisses erfaßt. Die ausführlichste und vollständigste Wanderungsstatistik läßt sich aus einem {{NonRefTerm|Bevölkerungsregister}} ({{RefNumber|21|3|1}}) erstellen, das alle Wohnsitzänderungen der Einwohner des Landes festhält. Durch ein solches Register können Binnen wie Außenwanderungen gemessen werden; die Resultate fallen jedoch im allgemeinen für die Binnenwanderung befriedigender aus als für die Außenwanderung. In Ermangelung eines Bevölkerungsregisters können auch andere, vollständige oder partielle Register oder Verzeichnisse wie {{TextTerm|Wählerverzeichnisse|3}}, {{TextTerm|Wählerevidenz (A)|3}}, {{TextTerm|Stimmrechtsregister (CH)|3}}, {{TextTerm|Sozialversicherungsdateien|4}}, {{TextTerm|Steuerverzeichnisse|5}} und {{TextTerm|Adreßbücher|6}} zur Gewinnung von Daten über die Wanderung herangezogen werden. Informationen über Außenwanderungen auf dem Luft- oder Seeweg liefern auch {{TextTerm|Passagier- oder Fahrgastlisten|7}}. Das Zählen der die Staatsgrenze überschreitenden Personen bringt lediglich recht grobe Ergebnisse. Vor allem in Gebieten mit regem {{NonRefTerm|Grenzverkehr}} ({{RefNumber|80|3|2}}*), müssen Vorkehrungen zur Unterscheidung der Wanderer von den {{TextTerm|Reisenden|8}}, die ihren Wohnsitz nicht ändern, und von den {{NonRefTerm|Durchreisenden}} ({{RefNumber|80|1|11}}) getroffen werden, da diese Kategorien für die Wanderungsstatistik nicht in Betracht kommen. Zur Schätzung von Wanderungen dienen gelegentlich auch die Anzahl ausgestellter {{TextTerm|Visa|9}} (Singular Visum) oder {{TextTerm|Einreiseerlaubnisse|9}}, {{TextTerm|Einreisebewilligungen|9}} sowie die Zahl der {{TextTerm|Aufenthaltserlaubnisse|10}}, {{TextTerm|Aufenthaltsbewilligungen (A u. CH)|10}} oder {{TextTerm|Arbeitserlaubnisse|11}}, {{TextTerm|Beschäftigungsbewilligungen (A)|11}}, {{TextTerm|Arbeitsbewilligungen (CH)|11}}.
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{{Note|9| In einigen Ländern sind Ausreisevisa oder Ausreisebewilligungen erforderlich; gegebenenfalls liefern auch sie Informationen über Wanderungsbewegungen.}}
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Informationen über {{NonRefTerm|Wanderer}} ({{RefNumber|80|2|4}}) aus Volkszählungen und speziellen {{NonRefTerm|Erhebungen}} ({{RefNumber|20|3|4}}) ermöglichen das Aufstellen einer {{TextTerm|Statistik über Gewanderte|1}}. Je nach Fragestellung kann dabei eine {{TextTerm|Statistik über Zu/Eingewanderte|2}}, eine {{TextTerm|Statistik über Ab/Ausgewanderte|2}} (vgl. die Begriffe in {{RefNumber|80|2|5}}ff) oder eine {{TextTerm|Geburtsortstatistik|3}} entstehen. Durch diese Fragestellung kann man die Abwanderer eines Gebietes nur dann erfassen, wenn die Erhebung in deren Zielgebiet stattfindet. In das Ausland abgewanderte Personen kann man im Inland nicht befragen, wohl aber die Eingewanderten, aus welchem Land sie kommen.
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Die {{TextTerm|Wanderungen aus eigenem Antrieb|1}} können in unterschiedlicher Stärke nach verschiedenen Richtungen gehen. Der „Auswanderung” ({{RefNumber|80|2|4}}) entspricht oft ein — meist schwächerer — Gegenstrom: die {{TextTerm|Rückwanderung|2}}, bestehend aus Personen, die früher ausgewandert sind und jetzt in die Heimat zurückkehren. Wenn eine solche Rückkehr staatlich gelenkt wird, nennt man sie {{TextTerm|Rückführung|3}} ({{TextTerm|Repatriierung|3}}).
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Ist eine direkte Erfassung der Wanderungen unmöglich, versucht man, die {{NonRefTerm|Nettowanderung}} ({{RefNumber|80|5|2}}) indirekt als {{TextTerm|Residuum|1}} zu schätzen, indem man eine Bilanz aus der Bevölkerungsentwicklung und den anderen bekannten oder geschätzten Komponenten zieht. Zu den {{TextTerm|Residualmethoden|1}} gehört z.B. die {{TextTerm|Methode der (natürlichen) Bevölkerungsbewegung|2}}, bei der man den Wanderungssaldo durch Subtraktion des {{NonRefTerm|Geburtensaldos}} ({{RefNumber|70|1|8}}) zwischen zwei Volkszählungen von der gesamten Veränderung des Bevölkerungsstandes erhält. Zur Schätzung der Nettowanderung je Altersklasse ist gelegentlich auch die {{TextTerm|Methode der Überlebenswahrscheinlichkeiten|3}} in Gebrauch. Diese {{NonRefTerm|Überlebenswahrscheinlichkeiten}} ({{RefNumber|43|1|6}}) müssen nicht unbedingt auf einer tatsächlichen Sterbestatistik für das entsprechende Gebiet aufbauen, sie können auch aus {{NonRefTerm|Modell-Sterbetafeln}} ({{RefNumber|43|5|5}}) entnommen werden. Multipliziert man die nach Alter und Geschlecht aufgegliederte (Sub-)Population einer Volkszählung mit den zugehörigen Überlebenswahrscheinlichkeiten, so ergibt sich die entsprechende erwartete überlebende Bevölkerung zum Zeitpunkt der nächsten Zählung. Der Vergleich von erwarteter und gezählter Bevölkerung dient alsdann zur Schätzung der altersspezifischen Wanderungsbilanz für die untersuchte (Sub-)Population. Verfügt man über {{NewTextTerm|Geburtsortstatistiken|4}}({{RefNumber|81|3|3}}) mit Angaben über das Alter und den jetzigen Wohnort, können daraus die Wanderungsströme indirekt geschätzt werden.
{{Note|1| Die Untersuchung der {{NoteTerm|Wanderungsströme}} kann einen {{NoteTerm|Hauptstrom der Auswanderung}} erkennen lassen. Die Formen der freiwilligen Wanderung sind u. a. {{NoteTerm|Siedlung}} (landwirtschaftliche, industrielle), {{NoteTerm|freiwillige Umsiedlung, freiwillige Repatriierung}} und {{NoteTerm|gelenkte Wanderung}}.}}
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{{Note|2| Die dieser Schätzungsmethode zugrundeliegende Gleichung wird oft {{NoteTerm|Gleichgewichtsgleichung, Bevölkerungsgieichung}} oder {{NoteTerm|Bilanzierungsgleichung}} genannt. Schätzt man daraus die Nettowanderung, so setzt man gleichzeitig voraus, daß {{NonRefTerm|Auslassungen}} ({{RefNumber|23|0|3}}) und {{NonRefTerm|Mehrfachzählungen}} ({{RefNumber|23|0|5}}) für beide Volkszählungen gleich groß sind.}}
{{Note|2| {{NoteTerm|Rückwanderung}}, S. f. {{NoteTerm|Rückwanderer}}, S. m. — {{NoteTerm|rückwandern}}, V. i.}}
 
{{Note|3| {{NoteTerm|Repatriierung}}, S. f. — {{NoteTerm|repatriieren}}, V. t. — {{NoteTerm|Repatriierter}}, P. P. von repatriieren, als S. m. gebraucht. Irreführend und verharmlosend ist der Begriff Repatriierung (Umsiedlung, {{RefNumber|81|2|6}}) für Vertreibung (Austreibung, {{RefNumber|81|2|2}}).}}
 
  
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{{TextTerm|Einzelwanderung|1}} ist die „Wanderung” ({{RefNumber|80|1|1}}) einzelner Personen. Eine {{TextTerm|Gemeinschaftswanderung|2}} ({{TextTerm|Kollektivwanderung|2}}, {{TextTerm|Gruppenwanderung|2}}) ist eine Wanderung, an der, mehr oder weniger organisiert, Gruppen von einzelnen Personen oder Familien teilnehmen. {{TextTerm|Massenwanderung|3}} bedeutet die Wanderung einer großen Anzahl von Personen. Eine {{TextTerm|Katastrophenflucht|4}} ({{TextTerm|Exodus|4}}, {{TextTerm|Auszug|4}}) ist eine plötzliche Massenwanderung, die durch irgendein unglückliches Ereignis ohne Eingreifen der öffentlichen Gewalt bewirkt wird.
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Der Ausdruck {{TextTerm|Wanderungsziffer|1}} gilt für jede Ziffer, die die relative Häufigkeit von Wanderungen innerhalb einer Bevölkerung mißt. Sofern nichts anderes vermerkt, handelt es sich dabei um {{TextTerm|jährliche Wanderungsziffern|2}}. Sie werden als Verhältniszahl aus der jährlichen oder durchschnittlichen jährlichen Zahl von Wanderungen während eines bestimmten Beobachtungszeitraumes und der durchschnittlichen Bevölkerung dieses Beobachtungszeitraumes errechnet. Unter Verwendung entsprechender Angaben über Nettowanderung und Wanderungsvolumen ergeben sich auf analoge Weise die {{TextTerm|Wanderungssaldoziffer|3}}, die {{TextTerm|Nettowanderungsziffer|3}}, sowie die {{TextTerm|Wanderungsvolumenziffer|4}}. Die {{TextTerm|Effektivität der Wanderungen|5}} erhält man, indem die Nettowanderung zur gesamten Zu- und Abwanderung in Beziehung gesetzt wird. Die Maßzahl geht von Null (Zahl der Zuzüge ist gleich derjenigen der Fortzüge) bis eins (die Wanderungen gehen lediglich in eine Richtung).
{{Note|1| {{NoteTerm|Famiiienwanderung}} ist die Wanderung ganzer Familien.}}
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{{Note|2| An Stelle der durchschnittlichen Bevölkerung können auch andere Werte im Nenner eingesetzt werden, so z.B. die Bevölkerung zu Beginn oder am Ende der Beobachtungsperiode oder die Anzahl der gelebten {{NonRefTerm|Personenjahre}} ({{RefNumber|13|5|7}}).}}
{{Note|2| bis 3. Erfolgt eine Wanderung in einzelnen Schüben, so spricht man von {{NoteTerm|Schubwanderung}}, erfolgt sie in Etappen und als Einzelwanderung, von {{NoteTerm|Etappenwanderung}}.<br />}}<br />Eine {{NoteTerm|Invasion}}, S. f. — meist militärisch gebraucht — ist eine plötzliche Masseneinwanderung gegen den Willen der Bewohner des Gebietes, eine {{NoteTerm|Infiltration}} ist eine zahlenmäßig zwar schwache, daher wenig bemerkbare, aber durch ihre längere Dauer wirksame Einwanderung von ungern gesehenen Bevölkerungselementen.<br />Mit Unterwanderung wird eine Gruppenwanderung bestimmter sozialer Schichten oder Bevölkerungsgruppen in Gebiete bezeichnet, die meist von einem anderen „Volk” ({{RefNumber|33|3|3}}) bewohnt werden. Sie kann spontan ({{RefNumber|81|0|1}}) oder gelenkt ({{RefNumber|81|1|2}}) erfolgen.
 
  
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Unter {{TextTerm|Zwangswanderung|1}} versteht man eine „Wanderung” ({{RefNumber|80|1|1}}), zu der die Betroffenen durch Gewalt oder Angst vor Gewalt gezwungen werden. {{NoteTerm|Sie}} kann das Ergebnis einer {{TextTerm|Vertreibung|2}} ({{TextTerm|Austreibung|2}}, {{TextTerm|Ausweisung|2}}, {{TextTerm|Abschiebung|2}}) sein. Die Betroffenen müssen ihren früheren Wohnort ({{RefNumber|80|1|3}}) aufgeben, ohne daß ihnen ein neuer zugewiesen würde. {{TextTerm|Evakuierung|3}} ist die planmäßige, nicht unbedingt zwangsmäßige Aussiedlung der gesamten Bevölkerung oder von Bevölkerungsteilen eines Gebietes bei Katastrophengefahr. Alle diese Zwangswanderer heißen {{TextTerm|Flüchtlinge|4}} (zutreffendenfalls auch {{TextTerm|Vertriebene|4}}, {{TextTerm|Heimatverfriebene|4}}). Unter {{TextTerm|Zwangsumsiedlern|5}} dagegen versteht man Zwangswanderer, denen neue Wohnsitze zugewiesen werden. Ein Sonderfall der {{TextTerm|Umsiedlung|6}} ist der {{TextTerm|Bevölkerungstausch|7}} ({{TextTerm|Bevölkerungsaustausch|7}}), eine durch die herrschende Gewalt erzwungene „Gemeinschaftswanderung” ({{RefNumber|81|1|2}}) zum Zwecke gegenseitigen Austausches der Siedlungsgebiete, häufig von Nachbarstaaten zur volklichen Vereinheitlichung vorgenommen, um auf diese Weise Minderheitsprobleme ({{RefNumber|33|3|4}}) zu lösen.
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Zur Berechnung der {{TextTerm|Wanderungsquote|1}} oder des {{TextTerm|Anteils der Wanderer|1}} setzt man die Anzahl der Wanderer einer Periode zur Bevölkerung entweder der Herkunfts- oder der Zielregion in Beziehung. Man erhält die {{TextTerm|Abwanderungsquote|2}}, auch {{TextTerm|Anteil der Ab/Auswanderer|2}} oder {{TextTerm|Anteil der Fortgezogenen|2}}, indem die gemeldeten Abwanderer auf ihre Herkunftsbevölkerung am Jahresanfang bezogen werden. Sie findet u.a. Verwendung in {{NonRefTerm|Bevölkerungsvorausschätzungen}} (§720), wenn dort Wanderungen als separate Komponente berücksichtigt werden. Ähnlich wird auch die {{TextTerm|Zuwanderungsquote|3}} oder der {{TextTerm|Anteil der Zu/Eingewanderten|3}} oder {{TextTerm|Anteil der Zugezogenen|3}} (vgl. Begriffe {{RefNumber|80|2|5}} ff) berechnet, indem die während einer Periode in eine Region zugezogene Bevölkerung zur Bevölkerung dieser Region am Ende der Beobachtungsperiode in Beziehung gesetzt wird. Hierbei entspricht der Zähler nicht der Bevölkerung, die dem Risiko des Fortzugs unterlag, was das Interesse an der Maßzahl schmälert. Die Berechnung des {{TextTerm|Anteils auswärts Geborener|4}} erfordert Angaben über den Geburtsort: man dividiert die Anzahl der Personen, die außerhalb der betreffenden Region geboren ist, durch die Gesamtbevölkerung dieser Region. Der {{TextTerm|Anteil der ortsgebürtigen Abwanderer|5}} ergibt sich aus der Division der Anzahl der Personen einer Region, die heute außerhalb ihrer Geburtsregion lebt, durch entweder die Gesamtbevölkerung, die in dieser Region geboren ist, oder durch die Gesamtbevölkerung, die in dieser Region geboren ist und heute noch/wieder dort lebt. Sind Eigenschaften wie {{NonRefTerm|Alter}} ({{NonRefTerm|{{RefNumber|32|2|1}}}}), {{NonRefTerm|Beruf}} ({{RefNumber|35|2|2}}) oder {{NonRefTerm|Bildungsstand}} ({{RefNumber|34|2|1}}) usw. bekannt, können für spezielle Analysen {{TextTerm|Maßzahlen der differentiellen Wanderung|6}} errechnet werden. Um sie zu berechnen, dividiert man den Anteil an Wanderern in der Teilbevölkerung mit dem untersuchten Merkmal durch den Anteil an Wanderern in der Gesamtbevölkerung und zieht dann den erhaltenen Quotient von Eins ab. Hat die untersuchte Teilbevölkerung das gleiche Wanderungsverhalten wie die Gesamtbevölkerung, so ist die differentielle Maßzahl gleich Null. Den Begriff {{TextTerm|Selektivität der Wanderungen|7}} benutzt man in diesem Zusammenhang, wenn die Abgewanderten mit der entsprechenden Bevölkerung der Herkunftsregion verglichen werden; bezüglich der Zugewanderten im Zielgebiet analysiert die genannte Methode das {{NewTextTerm|differentielle Wanderungsverhalten|8}}.
{{Note|1| Bei „Vertreibung” einzelner, gewisser Bevölkerungsteile oder auch einer ganzen Bevölkerung spricht man von {{NoteTerm|Massenzwangswanderung}}.}}
 
{{Note|2| {{NoteTerm|Vertreibung}}, S. f. — {{NoteTerm|vertreiben}}, V. t. — {{NoteTerm|Vertriebener}}, P. P., als S. m.}}
 
{{Note|3| {{NoteTerm|Evakuierung}}, S. f. — {{NoteTerm|evakuieren}}, V. t. — {{NoteTerm|Evakuierter}}, P. P. als S. m. {{NoteTerm|Deportation}}, S. f., ist die {{NoteTerm|Zwangsversetzung}}, {{NoteTerm|Zwangsverschickung}}, S. f., einer Person oder von Personen als Strafmaßnahme, {{NoteTerm|deportieren}}, V. t. — {{NoteTerm|Deportierter}}, P. P. als S. m.}}
 
{{Note|4| In der Bundesrepublik Deutschland sind die Merkmale der „Vertriebenen”, „Heimatvertriebenen” und „Flüchtlinge” im Bundesvertriebenengesetz definiert. Es muß deshalb zwischen dem rechtlichen und dem gewöhnlichen Sprachgebrauch unterschieden werden. {{NoteTerm|Flüchtling}}, S. m. — {{NoteTerm|Fluch}}t, S. f. — {{NoteTerm|fliehen}}, V. i.<br />Politische Flüchtlinge werden auch „Emigranten” ({{RefNumber|80|2|4}}*) genannt. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden den „Vertriebenen” die {{NoteTerm|Einheimischen (Altansässigen)}} gegenübergestellt. Darunter werden im allgemeinen die in einem Gebiet Gebürtigen und die vor der Zuwanderung dort Wohnenden verstanden. }}
 
{{Note|5| D. P. (Displaced persons, versetzte Personen) waren zunächst die während des 2. Weltkrieges in den damaligen deutschen Machtbereich verbrachten Fremdarbeiter, denen von den westlichen Alliierten in ihrem Besatzungsgebiet, soweit sie nicht zurückkehren wollten, ein Sonderstatus zugebilligt wurde. Dieser wurde später auch anderen nichtdeutschen Flüchtlingen zuerkannt. Das Synonym {{NoteTerm|verschleppt}}, P. P. von {{NoteTerm|verschleppen}}, V. t., {{NoteTerm|Verschleppung}}, S. f., bezeichnet eine rechtswidrige gewaltsame Entführung, z. B. durch {{NoteTerm|Menschenraub}}, S. m.}}
 
{{Note|6| {{NoteTerm|Umsiedlung}}, S. f. — {{NoteTerm|umsiedeln}}, V. t.<br />{{NoteTerm|Umsiedler}}, S. m. (Ez. Umsiedler), sind die Teilnehmer an einer Umsiedlung; Umsiedler wird unkorrekt, aber häufig angewendet auf Teilnehmer an einer Familienzusammenführung; wird {{NoteTerm|ferner}} im Sprachgebrauch der Regierung und der Presse der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands irreführend und euphemistisch für die deutschen „Vertriebenen” ({{RefNumber|81|2|4}}) verwendet.<br />Eine besondere Maßnahme der „Bevölkerungsumsiedlung” ist die {{NoteTerm|Bevölkerungszerstreuung}}, S. f. — {{NoteTerm|zerstreuen}}, V, t. Sie dient dem Zwecke, die geschlossene Siedlungsweise einer Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppe aufzuheben und ihre Glieder zerstreut in fremder Umgebung anzusiedeln. Die Bevölkerungszerstreuung kann zur Vernichtung eines Volkes führen (Genocidium); im Extremfall spricht man von {{NoteTerm|Ausrottung}} eines Volkes oder {{NoteTerm|Völkermord}}.<br />{{NoteTerm|Austausch}}, S. m. — {{NoteTerm|austauschen}}, V. t.}}
 
  
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Die Einwurzelung der Einwanderer erfolgt gradmäßig, in {{TextTerm|Anpassung|1}} an das äußere Leben des „Abnahmelandes” ({{RefNumber|80|1|4}}*) in Sprache und Gebräuchen, dann auch an das geistige und seelische Leben der neuen Umwelt, also in {{TextTerm|kultureller Anpassung|2}}. Wenn jeder Unterschied zwischen den im Lande Aufgewachsenen und den Einwanderern verschwunden ist, ist die {{TextTerm|Assimilation|3}} vollzogen. Dieser Übergang wird meist durch die inzwischen erfolgte „Einbürgerung” („Naturalisierung”, {{RefNumber|33|1|1}}) erleichtert.
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{{TextTerm|Längsschnittanalysen der Wanderungen|1}} erfordern Unterlagen über sämtliche aufeinanderfolgende Umzüge von Personen im Laufe der Zeit, Unterlagen, die im allgemeinen lediglich {{NonRefTerm|Bevölkerungsregistern}} ({{RefNumber|21|3|1}}) oder {{NonRefTerm|retrospektiven Erhebungen}} ({{RefNumber|20|3|8}}) entnommen werden können. Verfügt man über die entsprechenden Daten, lassen sich daraus verschiedene verfeinerte Maßzahlen über Wanderungen erstellen -z.B. die {{TextTerm|Erstwanderungswahrscheinlichkeit|2}} oder auch {{TextTerm|Wahrscheinlichkeit, zum ersten Male zu wandern|2}}; sie ist die Wahrscheinlichkeit einer Gruppe {{TextTerm|Nicht-Wanderer|3}} oder {{TextTerm|Seßhafter|3}}, im Alter x zum ersten Male zu wandern, bevor sie das Alter x + n erreicht hat. Aus derartigen Wahrscheinlichkeiten lassen sich {{TextTerm|Seßhaftentafeln|4}} konstruieren. Werden diese mit {{NonRefTerm|Sterbetafeln}} ({{RefNumber|43|2|1}}) kombiniert, ergeben sich in Form von Tafeln mit mehrfachen Abgangswahrscheinlichkeiten sog. {{TextTerm|Abgangsordnungen der Nicht-Wanderer|5}}. Auf ähnliche Weise lassen sich auch {{TextTerm|ordnungsspezifische Wanderungswahrscheinlichkeiten|6}} errechnen oder der Anteil von Wanderern einer bestimmten Ordnung, die innerhalb eines beliebigen, die Wanderungen definierenden Zeitraumes, keine weiteren Wanderungen mehr unternehmen. Die {{TextTerm|Wanderungsziffer über alle Ordnungsnummern|7}} ist das Verhältnis, aus Umzügen aller Ordnungen innerhalb eines Jahres und der durchschnittlichen Bevölkerungsgröße der betreffenden {{NonRefTerm|Kohorte}} ({{RefNumber|11|6|2}}) im Untersuchungsjahr. Durch Kumulation dieser Ziffern für eine Kohorte bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erhält man eine entsprechende Schätzung für die {{TextTerm|durchschnittliche Anzahl der Wanderungen|8}} bei Vernachlässigung der Sterblichkeit.
{{Note|1| {{NoteTerm|Anpassung}}, S. f. — (sich) {{NoteTerm|anpassen}}, V. t. (V. r.).<br />Im gleichen Sinne wie Anpassung auch {{NoteTerm|Einwurzelung}}, S. f. — {{NoteTerm|sich einwurzeln}}, V. r. als Gegenstuck zu {{NoteTerm|Entwurzelung}}, S. f. — {{NoteTerm|entwurzeln}}, V. t. Ferner {{NoteTerm|Akklimatisierung}}, S. f. ({{NoteTerm|Akklimatisation}}), im strengen Wortsinn: Gewöhnung an das Klima — {{NoteTerm|sich akklimatisieren}}, V. r.}}
 
{{Note|3| {{NoteTerm|Assimilation}} ({{NoteTerm|Assimilierung}}, {{NoteTerm|Angleichung}}), S. f. — {{NoteTerm|assimilieren}}, {{NoteTerm|angleichen}} {{NoteTerm|sich assimilieren}}, V. r. — {{NoteTerm|assimilierungsfähig}}, {{NoteTerm|assimilierungsunfähig}}, Adj.}}
 
  
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Von einer {{TextTerm|Kolonie|1}} von Einwanderern spricht man, wenn die aus dem gleichen Gebiete kommenden Einwanderer geschlossen beieinander bleiben und ihre Sprache und Bräuche auch in der neuen Heimat beibehalten. In bereits bevölkerten Gebieten entsteht dadurch das Problem des {{TextTerm|Zusammenlebens|2}} ({{TextTerm|Nebeneinanderlebens|2}}, der {{TextTerm|Koexistenz|2}}) mit der einheimischen Bevölkerung ({{RefNumber|81|2|4}}*). Dieses Zusammenleben kann zur {{TextTerm|Verschmelzung|3}} der beiden Bevölkerungen führen, deren beiderseitige Unterschiede dann verschwinden, oder auch zur {{TextTerm|Einverleibung|4}}, {{TextTerm|Integration|4}} unter Anerkennung und Förderung der kulturellen Eigenarten. {{TextTerm|Bevölkerungstrennung|5}} ({{TextTerm|Segregation|5}}) liegt dann vor, wenn zwei Bevölkerungen nebeneinander leben, aber ihre kennzeichnenden Eigenschaften möglichst unvermischt bewahren wollen und zu diesem Zwecke den Verkehr mit der anderen Bevölkerung ablehnen.
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Bei der Analyse von Wanderungen zwischen zwei Regionen während einer Periode findet der {{TextTerm|Index der Wanderungsintensität|1}} Anwendung. Er wird berechnet, indem die Anzahl Wanderer von A nach B durch das Produkt aus der Anzahl der Einwohner in B am Ende der Beobachtungsperiode und der Anzahl überlebender Einwohner in A, die schon zu Beginn der Beobachtungsperiode ihren Wohnsitz in A hatten, dividiert wird. Wird diese Maßzahl durch den Quotienten aus der Gesamtzahl der Wanderer und dem Quadrat der Bevölkerungszahl des betreffenden Landes dividiert, ergibt sich der {{TextTerm|Wanderungspräferenzindex|2}}. Beschränkt man dabei den Zähler auf den Nettowanderungsstrom, so erhält man eine Maßzahl, die {{TextTerm|Wanderungsgeschwindigkeit|3}} genannt wird. Die {{TextTerm|Effektivität von Wanderungsströmen|4}} ergibt sich, indem der absolute Wert des Nettowanderungsstroms zum {{NonRefTerm|Wanderungsvolumen}} ({{RefNumber|80|5|7}}) in Bezug gesetzt wird.
{{Note|1| {{NoteTerm|Kolonie}}, S. f. — {{NoteTerm|Kolonist}}, S. m. = Zugehöriger einer Kolonie, — {{NoteTerm|kolonisieren}}, V. t. — {{NoteTerm|Kolonisafion}}, {{NoteTerm|Koionisierung}}, S. f. Von Kolonisation im Sinne dieses Paragraphen zu unterscheiden ist die sogenannte {{NoteTerm|innere Kolonisation (Binnenkolonisation)}}, worunter man unter anderem auch Maßnahmen der Bodenreform versteht.}}
 
{{Note|2| {{NoteTerm|Zusammenleben}}, S. n., substantivisch gebrauchtes V. i. — {{NoteTerm|Koexistenz}}, S. f. — {{NoteTerm|Bodenständige (eingesessene, einheimische) Bevölkerung}} bedeutet im engeren Sinne ({{RefNumber|81|2|4}}*) im allgemeinen Sprachgebrauch die in einem Gebiet geborene und dort wohnende Bevölkerung.}}
 
{{Note|3| {{NoteTerm|Verschmelzung}}, S. f. — {{NoteTerm|verschmelzen}}, V. t.}}
 
{{Note|4| {{NoteTerm|Einverleibung (Integration)}}, S. m. — {{NoteTerm|einverleiben (integrieren)}} V. t.}}
 
{{Note|5| {{NoteTerm|Trennung}}, S. f. — {{NoteTerm|trennen}}, V. t.}}
 
  
=== 815 ===
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Die {{TextTerm|Wanderungspolitik|1}} der Staaten fügt sich mehr oder weniger harmonisch in den Rahmen ihrer allgemeinen „Bevölkerungspolitik” ({{RefNumber|10|4|2}}) ein. Die {{TextTerm|Einwanderungsgesetze|2}} sind häufig einschränkender Art. Sie streben oft eine {{TextTerm|Einwanderungsauslese|3}} ({{TextTerm|Auslese der Einwanderer|3}}) an, teils indem sie die Einwanderer mit gewissen Merkmalen ausschließen, teils solche mit anderen Merkmalen bevorzugen. Das System der {{TextTerm|Einwanderungskontingente|4}} ({{TextTerm|Einwanderungsquoten|4}}), die den verschiedenen Gruppen von Einwanderern zugeteilt werden, dient dazu, eine gewisse vom Einwanderungsland als günstig betrachtete Gliederung der Einwanderer aufrechtzuerhalten. Dieses System wird hauptsächlich gegenüber den in Betracht kommenden Auswanderungsländern gehandhabt, indem es die Zusammensetzung der Einwanderer nach der {{TextTerm|Staatsangehörigkeit des Herkunftslandes|5}} (manchmal nach dem {{TextTerm|Land der Geburt|5}}, nach der „Volkszugehörigkeit”, {{RefNumber|33|0|5}}) regelt. Die {{TextTerm|Politik der inneren Besiedlung|6}}, die darauf hinzielt, die Zusammensetzung der Bevölkerung auf dem Gebiet eines Staates im Wege der „Binnenwanderung” ({{RefNumber|80|2|5}}) zu beeinflussen, kann als ein Teil der Wanderungspolitik betrachtet werden.
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{{TextTerm|Wanderungsmodelle|1}} lassen sich in zwei große Kategorien gliedern. Die erste bringt {{NonRefTerm|Wanderungsströme}} ({{RefNumber|80|3|9}}) zwischen zwei Regionen mit sozialen, ökonomischen oder demographischen Variablen in Verbindung. Variablen, die den Wanderer aus der Herkunftsregion „abstoßen”, werden mit {{TextTerm|Push-Faktoren|2}}, {{TextTerm|Abstoßungskräfte|2}}, solche, die den Wanderer in das Zielland „ziehen”, als {{TextTerm|Pull-Faktoren|3}}, {{TextTerm|Anziehungskräfte|3}}, bezeichnet. Entsprechend kennt man auch {{NoteTerm|intervenierende}} (d.h. zwischen Herkunfts- und Zielgebiet liegende) {{TextTerm|Hindernisse|4}}. Die einfachsten dieser ersten Kategorie von Modellen sind die {{TextTerm|Gravitationsmodelle|5}}. Sie erachten den Wanderungsstrom zwischen zwei Regionen als direkt proportional zur entsprechenden Bevölkerunsgröße und als umgekehrt proportional zur {{TextTerm|Entfernung|6}}. Andere Modelle nehmen an, daß eine proportionale Beziehung zwischen den Wanderungsströmen und den sich in der Zielregion bietenden Möglichkeiten (z.B. Arbeitsmöglichkeiten) und eine umgekehrt proportionale Beziehung zu den {{TextTerm|intervenierenden Arbeitsplatzangeboten|7}} (d.h. zwischen Herkunfts- und Zielgebiet liegenden) oder {{TextTerm|allgemeiner intervenierender Vorteilen|7}} besteht. Modelle der zweiten Kategorie sind {{NonRefTerm|stochastische Modelle}} ({{RefNumber|73|0|5}}) und beziehen sich mehr auf Individuen als auf ganze Bevölkerungen; sie verbinden Wanderungswahrscheinlichkeiten mit verschiedenen persönlichen Eigenschaften der Wandernden wie Alter, frühere Wanderungen usw..
{{Note|3| {{NoteTerm|Auslese}}, S. f. — {{NoteTerm|auslesen}}, V. t. — In ähnlicher Bedeutung wird in der Anthropologie und Sozialbiologie der Begriff {{NoteTerm|Siebung}}, S. f., verwendet.}}
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{{Note|2| u. 3. Beispiele sind unbefriedigende bzw. günstige Arbeitsmöglichkeiten. B. {{NoteTerm|Modelle des Pareto Typs}}.}}
{{Note|4| {{NoteTerm|Kontingent}}, S. n. — {{NoteTerm|kontingentieren}}, V. t. 6. {{NoteTerm|Besiedlung}}, S. f. — {{NoteTerm|besiedeln}}, V. t.}}
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{{Note|6| Die Entfernung kann auf verschiedene Arten gemessen werden, z.B. als gerade, kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten oder als tatsächlich zurückgelegter Weg oder als Anzahl dazwischenliegender Regionen usw..}}
  
  

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Kapitel | Allgemeines index 1 | Begriffe und Methoden der Bevölkerungsstatistik index 2 | Bevölkerungsstand index 3 | Sterblichkeit und Krankheit index 4 | Eheschliessung und Ehelösung index 5 | Geburtenhäufigkeit, Fruchtbarkeit index 6 | Bevölkerungswachstum und Reproduktion index 7 | Räumliche Mobilität index 8 | Wirtschafts- und Sozialdemographie index 9
Section | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 | 16 | 20 | 21 | 22 | 23 | 30 | 31 | 32 | 33 | 34 | 35 | 40 | 41 | 42 | 43 | 50 | 51 | 52 | 60 | 61 | 62 | 63 | 70 | 71 | 72 | 73 | 80 | 81 | 90 | 91 | 92 | 93

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812

Wanderungsstatistiken1 werden zusammengestellt, um Angaben über das Wanderungsvolumen, die Richtung der Wanderungen sowie die Merkmale der Wandernden zu erhalten. Die Genauigkeit jeder dieser Angaben hängt stark von der Erhebungsmethode und der Qualität des Erhebungsapparates ab; viele Wanderungsstatistiken sind heute eher Schätzungen und Annäherungen als genaue Zählungen. Die direkte Ermittlung der Wanderungen2 erfordert ein System, das die Wanderung im Zeitpunkt ihres Ereignisses erfaßt. Die ausführlichste und vollständigste Wanderungsstatistik läßt sich aus einem Bevölkerungsregister (213-1) erstellen, das alle Wohnsitzänderungen der Einwohner des Landes festhält. Durch ein solches Register können Binnen wie Außenwanderungen gemessen werden; die Resultate fallen jedoch im allgemeinen für die Binnenwanderung befriedigender aus als für die Außenwanderung. In Ermangelung eines Bevölkerungsregisters können auch andere, vollständige oder partielle Register oder Verzeichnisse wie Wählerverzeichnisse3, Wählerevidenz (A)3, Stimmrechtsregister (CH)3, Sozialversicherungsdateien4, Steuerverzeichnisse5 und Adreßbücher6 zur Gewinnung von Daten über die Wanderung herangezogen werden. Informationen über Außenwanderungen auf dem Luft- oder Seeweg liefern auch Passagier- oder Fahrgastlisten7. Das Zählen der die Staatsgrenze überschreitenden Personen bringt lediglich recht grobe Ergebnisse. Vor allem in Gebieten mit regem Grenzverkehr (803-2*), müssen Vorkehrungen zur Unterscheidung der Wanderer von den Reisenden8, die ihren Wohnsitz nicht ändern, und von den Durchreisenden (801-11) getroffen werden, da diese Kategorien für die Wanderungsstatistik nicht in Betracht kommen. Zur Schätzung von Wanderungen dienen gelegentlich auch die Anzahl ausgestellter Visa9 (Singular Visum) oder Einreiseerlaubnisse9, Einreisebewilligungen9 sowie die Zahl der Aufenthaltserlaubnisse10, Aufenthaltsbewilligungen (A u. CH)10 oder Arbeitserlaubnisse11, Beschäftigungsbewilligungen (A)11, Arbeitsbewilligungen (CH)11.

  • 9. In einigen Ländern sind Ausreisevisa oder Ausreisebewilligungen erforderlich; gegebenenfalls liefern auch sie Informationen über Wanderungsbewegungen.

813

Informationen über Wanderer (802-4) aus Volkszählungen und speziellen Erhebungen (203-4) ermöglichen das Aufstellen einer Statistik über Gewanderte1. Je nach Fragestellung kann dabei eine Statistik über Zu/Eingewanderte2, eine Statistik über Ab/Ausgewanderte2 (vgl. die Begriffe in 802-5ff) oder eine Geburtsortstatistik3 entstehen. Durch diese Fragestellung kann man die Abwanderer eines Gebietes nur dann erfassen, wenn die Erhebung in deren Zielgebiet stattfindet. In das Ausland abgewanderte Personen kann man im Inland nicht befragen, wohl aber die Eingewanderten, aus welchem Land sie kommen.

814

Ist eine direkte Erfassung der Wanderungen unmöglich, versucht man, die Nettowanderung (805-2) indirekt als Residuum1 zu schätzen, indem man eine Bilanz aus der Bevölkerungsentwicklung und den anderen bekannten oder geschätzten Komponenten zieht. Zu den Residualmethoden1 gehört z.B. die Methode der (natürlichen) Bevölkerungsbewegung2, bei der man den Wanderungssaldo durch Subtraktion des Geburtensaldos (701-8) zwischen zwei Volkszählungen von der gesamten Veränderung des Bevölkerungsstandes erhält. Zur Schätzung der Nettowanderung je Altersklasse ist gelegentlich auch die Methode der Überlebenswahrscheinlichkeiten3 in Gebrauch. Diese Überlebenswahrscheinlichkeiten (431-6) müssen nicht unbedingt auf einer tatsächlichen Sterbestatistik für das entsprechende Gebiet aufbauen, sie können auch aus Modell-Sterbetafeln (435-5) entnommen werden. Multipliziert man die nach Alter und Geschlecht aufgegliederte (Sub-)Population einer Volkszählung mit den zugehörigen Überlebenswahrscheinlichkeiten, so ergibt sich die entsprechende erwartete überlebende Bevölkerung zum Zeitpunkt der nächsten Zählung. Der Vergleich von erwarteter und gezählter Bevölkerung dient alsdann zur Schätzung der altersspezifischen Wanderungsbilanz für die untersuchte (Sub-)Population. Verfügt man über Geburtsortstatistiken 4★(813-3) mit Angaben über das Alter und den jetzigen Wohnort, können daraus die Wanderungsströme indirekt geschätzt werden.

  • 2. Die dieser Schätzungsmethode zugrundeliegende Gleichung wird oft Gleichgewichtsgleichung, Bevölkerungsgieichung oder Bilanzierungsgleichung genannt. Schätzt man daraus die Nettowanderung, so setzt man gleichzeitig voraus, daß Auslassungen (230-3) und Mehrfachzählungen (230-5) für beide Volkszählungen gleich groß sind.

815

Der Ausdruck Wanderungsziffer1 gilt für jede Ziffer, die die relative Häufigkeit von Wanderungen innerhalb einer Bevölkerung mißt. Sofern nichts anderes vermerkt, handelt es sich dabei um jährliche Wanderungsziffern2. Sie werden als Verhältniszahl aus der jährlichen oder durchschnittlichen jährlichen Zahl von Wanderungen während eines bestimmten Beobachtungszeitraumes und der durchschnittlichen Bevölkerung dieses Beobachtungszeitraumes errechnet. Unter Verwendung entsprechender Angaben über Nettowanderung und Wanderungsvolumen ergeben sich auf analoge Weise die Wanderungssaldoziffer3, die Nettowanderungsziffer3, sowie die Wanderungsvolumenziffer4. Die Effektivität der Wanderungen5 erhält man, indem die Nettowanderung zur gesamten Zu- und Abwanderung in Beziehung gesetzt wird. Die Maßzahl geht von Null (Zahl der Zuzüge ist gleich derjenigen der Fortzüge) bis eins (die Wanderungen gehen lediglich in eine Richtung).

  • 2. An Stelle der durchschnittlichen Bevölkerung können auch andere Werte im Nenner eingesetzt werden, so z.B. die Bevölkerung zu Beginn oder am Ende der Beobachtungsperiode oder die Anzahl der gelebten Personenjahre (135-7).

816

Zur Berechnung der Wanderungsquote1 oder des Anteils der Wanderer1 setzt man die Anzahl der Wanderer einer Periode zur Bevölkerung entweder der Herkunfts- oder der Zielregion in Beziehung. Man erhält die Abwanderungsquote2, auch Anteil der Ab/Auswanderer2 oder Anteil der Fortgezogenen2, indem die gemeldeten Abwanderer auf ihre Herkunftsbevölkerung am Jahresanfang bezogen werden. Sie findet u.a. Verwendung in Bevölkerungsvorausschätzungen (§720), wenn dort Wanderungen als separate Komponente berücksichtigt werden. Ähnlich wird auch die Zuwanderungsquote3 oder der Anteil der Zu/Eingewanderten3 oder Anteil der Zugezogenen3 (vgl. Begriffe 802-5 ff) berechnet, indem die während einer Periode in eine Region zugezogene Bevölkerung zur Bevölkerung dieser Region am Ende der Beobachtungsperiode in Beziehung gesetzt wird. Hierbei entspricht der Zähler nicht der Bevölkerung, die dem Risiko des Fortzugs unterlag, was das Interesse an der Maßzahl schmälert. Die Berechnung des Anteils auswärts Geborener4 erfordert Angaben über den Geburtsort: man dividiert die Anzahl der Personen, die außerhalb der betreffenden Region geboren ist, durch die Gesamtbevölkerung dieser Region. Der Anteil der ortsgebürtigen Abwanderer5 ergibt sich aus der Division der Anzahl der Personen einer Region, die heute außerhalb ihrer Geburtsregion lebt, durch entweder die Gesamtbevölkerung, die in dieser Region geboren ist, oder durch die Gesamtbevölkerung, die in dieser Region geboren ist und heute noch/wieder dort lebt. Sind Eigenschaften wie Alter (322-1), Beruf (352-2) oder Bildungsstand (342-1) usw. bekannt, können für spezielle Analysen Maßzahlen der differentiellen Wanderung6 errechnet werden. Um sie zu berechnen, dividiert man den Anteil an Wanderern in der Teilbevölkerung mit dem untersuchten Merkmal durch den Anteil an Wanderern in der Gesamtbevölkerung und zieht dann den erhaltenen Quotient von Eins ab. Hat die untersuchte Teilbevölkerung das gleiche Wanderungsverhalten wie die Gesamtbevölkerung, so ist die differentielle Maßzahl gleich Null. Den Begriff Selektivität der Wanderungen7 benutzt man in diesem Zusammenhang, wenn die Abgewanderten mit der entsprechenden Bevölkerung der Herkunftsregion verglichen werden; bezüglich der Zugewanderten im Zielgebiet analysiert die genannte Methode das differentielle Wanderungsverhalten 8★.

817

Längsschnittanalysen der Wanderungen1 erfordern Unterlagen über sämtliche aufeinanderfolgende Umzüge von Personen im Laufe der Zeit, Unterlagen, die im allgemeinen lediglich Bevölkerungsregistern (213-1) oder retrospektiven Erhebungen (203-8) entnommen werden können. Verfügt man über die entsprechenden Daten, lassen sich daraus verschiedene verfeinerte Maßzahlen über Wanderungen erstellen -z.B. die Erstwanderungswahrscheinlichkeit2 oder auch Wahrscheinlichkeit, zum ersten Male zu wandern2; sie ist die Wahrscheinlichkeit einer Gruppe Nicht-Wanderer3 oder Seßhafter3, im Alter x zum ersten Male zu wandern, bevor sie das Alter x + n erreicht hat. Aus derartigen Wahrscheinlichkeiten lassen sich Seßhaftentafeln4 konstruieren. Werden diese mit Sterbetafeln (432-1) kombiniert, ergeben sich in Form von Tafeln mit mehrfachen Abgangswahrscheinlichkeiten sog. Abgangsordnungen der Nicht-Wanderer5. Auf ähnliche Weise lassen sich auch ordnungsspezifische Wanderungswahrscheinlichkeiten6 errechnen oder der Anteil von Wanderern einer bestimmten Ordnung, die innerhalb eines beliebigen, die Wanderungen definierenden Zeitraumes, keine weiteren Wanderungen mehr unternehmen. Die Wanderungsziffer über alle Ordnungsnummern7 ist das Verhältnis, aus Umzügen aller Ordnungen innerhalb eines Jahres und der durchschnittlichen Bevölkerungsgröße der betreffenden Kohorte (116-2) im Untersuchungsjahr. Durch Kumulation dieser Ziffern für eine Kohorte bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erhält man eine entsprechende Schätzung für die durchschnittliche Anzahl der Wanderungen8 bei Vernachlässigung der Sterblichkeit.

818

Bei der Analyse von Wanderungen zwischen zwei Regionen während einer Periode findet der Index der Wanderungsintensität1 Anwendung. Er wird berechnet, indem die Anzahl Wanderer von A nach B durch das Produkt aus der Anzahl der Einwohner in B am Ende der Beobachtungsperiode und der Anzahl überlebender Einwohner in A, die schon zu Beginn der Beobachtungsperiode ihren Wohnsitz in A hatten, dividiert wird. Wird diese Maßzahl durch den Quotienten aus der Gesamtzahl der Wanderer und dem Quadrat der Bevölkerungszahl des betreffenden Landes dividiert, ergibt sich der Wanderungspräferenzindex2. Beschränkt man dabei den Zähler auf den Nettowanderungsstrom, so erhält man eine Maßzahl, die Wanderungsgeschwindigkeit3 genannt wird. Die Effektivität von Wanderungsströmen4 ergibt sich, indem der absolute Wert des Nettowanderungsstroms zum Wanderungsvolumen (805-7) in Bezug gesetzt wird.

819

Wanderungsmodelle1 lassen sich in zwei große Kategorien gliedern. Die erste bringt Wanderungsströme (803-9) zwischen zwei Regionen mit sozialen, ökonomischen oder demographischen Variablen in Verbindung. Variablen, die den Wanderer aus der Herkunftsregion „abstoßen”, werden mit Push-Faktoren2, Abstoßungskräfte2, solche, die den Wanderer in das Zielland „ziehen”, als Pull-Faktoren3, Anziehungskräfte3, bezeichnet. Entsprechend kennt man auch intervenierende (d.h. zwischen Herkunfts- und Zielgebiet liegende) Hindernisse4. Die einfachsten dieser ersten Kategorie von Modellen sind die Gravitationsmodelle5. Sie erachten den Wanderungsstrom zwischen zwei Regionen als direkt proportional zur entsprechenden Bevölkerunsgröße und als umgekehrt proportional zur Entfernung6. Andere Modelle nehmen an, daß eine proportionale Beziehung zwischen den Wanderungsströmen und den sich in der Zielregion bietenden Möglichkeiten (z.B. Arbeitsmöglichkeiten) und eine umgekehrt proportionale Beziehung zu den intervenierenden Arbeitsplatzangeboten7 (d.h. zwischen Herkunfts- und Zielgebiet liegenden) oder allgemeiner intervenierender Vorteilen7 besteht. Modelle der zweiten Kategorie sind stochastische Modelle (730-5) und beziehen sich mehr auf Individuen als auf ganze Bevölkerungen; sie verbinden Wanderungswahrscheinlichkeiten mit verschiedenen persönlichen Eigenschaften der Wandernden wie Alter, frühere Wanderungen usw..

  • 2. u. 3. Beispiele sind unbefriedigende bzw. günstige Arbeitsmöglichkeiten. B. Modelle des Pareto Typs.
  • 6. Die Entfernung kann auf verschiedene Arten gemessen werden, z.B. als gerade, kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten oder als tatsächlich zurückgelegter Weg oder als Anzahl dazwischenliegender Regionen usw..


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